Seit 2011 stelle ich Anfang April gemeinsam mit Prof. Eric Frère vom isf Institut for Strategic Finance der FOM Hochschule und Marc Tüngler von der DSW Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz die Dividendenstudie Deutschland vor – über 30 Seiten mit Statistiken, Charts und Ranglisten zur Ausschüttungspolitik der deutschen Börsenfirmen. [Hier geht’s direkt zum PDF.]
Dividenden-Rekord sagt nichts über die Lage der deutschen Wirtschaft
Nach unseren Berechnungen werden die 160 in DAX, MDAX und SDAX gelisteten deutschen Aktiengesellschaften werden dieses Jahr rund 62,5 Mrd. Euro an ihre Aktionäre ausschütten. Der Vorjahreswert wird damit um knapp 2% übertroffen – trotz des Quasi-Ausfalls bei Bayer*, des Rückgangs bei BMW* und der staatshilfebedingten Streichung bei Fresenius*. Das ist der dritte Dividenden-Rekord in Folge, allerdings lässt die neuerliche Bestmarke keine validen Rückschlüsse auf die Gesamtlage der deutschen Wirtschaft zu, sondern resultiert primär aus der Stärke der global aufgestellten DAX-Konzerne.
Von den 40 im Frankfurter Leitindex enthaltenen Unternehmen zahlen 24 mehr als im Vorjahr, wobei Allianz* (+940 Mio. Euro), Airbus (inkl. Sonderdividende +790 Mio. Euro) und die Porsche AG (+590 Mio.) am meisten aufstocken. Insgesamt heben 13 DAX-Mitglieder die Dividende prozentual zweistellig an, sechs sogar um mehr als 30%.
Auto- und Finanz-Titel stellen die Hälfte des Volumens
Top-Zahler im DAX sind 2024 Mercedes-Benz mit 5,5 Mrd. Euro und Allianz* mit 5,4 Mrd. Euro, worin sich gleichsam die beiden wichtigsten Treiber der diesjährigen Dividendensaison widerspiegeln. Ein Drittel der DAX-Dividendensumme entfällt auf die sieben Auto-Werte, weitere knapp 20% auf die fünf Versicherungen und Banken. Darin steckt mittelfristig durchaus ein Risiko: Wenn die vor allem aus dem Verbrenner-Geschäft resultierenden Cashflows der Auto-Industrie disruptiert werden, dürfte dies nicht durch Unternehmen aus anderen Sektoren aufgefangen werden können.
Bremsspuren in MDAX und SDAX
Bei den kleineren und mittleren Firmen hebt derweil nicht einmal die Hälfte die Ausschüttung an – und jedes fünfte Unternehmen aus MDAX und SDAX lässt die Aktionäre sogar leer ausgehen. Hier sehen wir schon merklich gesamtwirtschaftliche Bremsspuren beiden Unternehmen, die weniger global aufgestellt sind und daher die Probleme hierzulande oder in Europa nicht kompensieren können. Beispiele dafür sind die Kürzungen bei Wacker Chemie* und Hella* oder der Ausfall bei BayWa*.
Positive Signale kommen dagegen von der Lufthansa*, die nach vier Jahren pandemiebedingter Pause die Dividendenzahlung wieder aufnimmt, oder von der Fondsgesellschaft DWS Group*, wo die Aktionäre im Zuge einer Sonderausschüttung fast dreimal so viel erhalten wie im vergangenen Jahr.
Nebenwerte weiter stark durch Hapag-Lloyd beeinflusst
Abseits der Auswahl-Indices dürfte das Ausschüttungsvolumen 2024 sogar um rund zwei Drittel auf 5,5 Mrd. Euro einbrechen. Hintergrund ist die Normalisierung bei Hapag-Lloyd*: Die Lieferketten-Disruption hatte der Reederei Rekordgewinne und den Anteilseignern allein 2023 über 11 Mrd. Euro an Dividenden beschert. Diese Sonderkonjunktur ist nun vorüber, die Ausschüttung der wegen des geringen Streubesitz-Anteils in keinem Index enthaltenen Reederei sinkt auf 1,6 Mrd. Euro – ist damit aber noch immer knapp dreimal so hoch wie 2021.
Dividenden-Kontinuität in der Breite unbefriedigend
Wie in den Vorjahren nimmt die Studie neben der aktuellen Dividenden-Saison auch die längerfristigen Ausschüttungs-Trends ins Visier, die etwa in puncto Kontinuität eher ernüchternd sind: Nur noch elf Aktiengesellschaften kommen auf eine Erfolgsbilanz von mindestens 10 Anhebungen in Serie, dabei wäre gerade diese Kontinuität ein Zeichen der Stärke. Zu den rühmlichen Ausnahmen gehört der familiengeführte Schmierstoff-Weltmarktführer Fuchs*: Das MDAX-Unternehmen hat die 22. Dividendenanhebung in Folge angekündigt – eine am deutschen Aktienmarkt derzeit einmalige Serie.
Musterbeispiele für Dividenden-Kontinuität sind auch SAP* und Münchener Rück*. Beide DAX-Granden haben ihre Ausschüttung in den letzten 25 Jahren nie gesenkt, sondern meistens erhöht – um durchschnittlich 12% pro Jahr. Auch Allianz* und Hannover Rück* punkten mit Wachstum und Rendite: Wer hier seit Jahren engagiert ist, hat einen inzwischen einen großen Teil seiner Anfangsinvestition durch Dividenden zurückerhalten.